Tourexperte David Norman über Vielfalt, Problemlösung und die Rückkehr auf die Bühne

Jonny Auping / November 22, 2021

In seinen 35 Jahren Arbeit in der Live-Event-Produktion, im Tourmanagement und in der Buchhaltung hat Norman bereits mit Prince, John Legend, Avicii und Tyler, the Creator gearbeitet.

Livemusik ist kein Selbstläufer , wenn man mit Künstler*innen zu tun hat, die so berühmt, kreativ und ehrgeizig sind wie Prince, John Legend, Green Day, Earth, Wind & Fire, Robert Plant, Alica Keys und Tyler, the Creator. Zeitpläne müssen eingehalten werden. Die Logistik muss geplant werden. Es muss geprobt werden. Flugzeuge, Busse und Hotels müssen gebucht werden. Es gibt Änderungen in letzter Minute. Der Sound muss exakt stimmen.

In den letzten 35 Jahren haben sich diese und unzählige weitere Künstler*innen zu verschiedenen Zeitpunkten darauf verlassen, dass David Norman sich um alles rund um ihre nationalen und internationalen Tourneen kümmert. Er hat für einige der berühmtesten Musiker*innen der Welt die Rolle des Tourmanagers, Buchhalters und Produktionsmanagers übernommen.

Wir haben den Tourexperten in unserem Podcast „Co.Lab Sessions“ interviewt. Er hat uns erzählt, wie er mit unberechenbaren Persönlichkeiten und unveränderbaren Tatsachen umgeht und wie er es schafft, Lösungen für alles zu finden. Er musste sich beispielsweise mit einem Künstler auseinandersetzen, der meinte, man könne mit einem Bus von Deutschland nach London fahren, mit einem Schlagzeuger, der bei dem Versuch, sein Schlagzeug in Brand zu setzen, ins Krankenhaus eingeliefert wurde, und mit einem Frontmann, der neben der Bühne einen Eimer zum Urinieren brauchte. Dazu kommen noch viele andere Pannen, über die wir besser nicht öffentlich berichten. Und dann kam die Coronapandemie und hat Liveauftritte noch komplizierter gemacht, als sie ohnehin schon waren.

„Ich hatte schon immer ein Faible für Puzzles und genau das sind Tourneen für mich“, sagte Norman. „Ich muss all diese verschiedenen Elemente und die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die mit dabei sind, zu einem funktionierenden Ganzen vereinen. Ein bisschen wie Dominosteine.“

Von einer Tragödie zu einem Wendepunkt

Norman, einst ein „frustrierter Schlagzeuger“, spielte in der Highschool in Bands, darunter einer Rush-Cover-Band. Er ging sogar in der Umgebung von Warner Robins, Georgia, wo sein Vater stationiert war, mit erfahrenen Bands auf Tour. Seine Eltern liebten jede Art von Musik, von Country über Jazz bis hin zu R&B, und sie haben diesen eklektischen Geschmack vorgelebt und gefördert. Norman wäre möglicherweise ein erfolgreicher Musiker geworden, doch ein paar Monate nach seinem Highschoolabschluss erhielt er, während er auf Tour war, um 5.30 Uhr morgens einen Anruf.

Seine Eltern hatten einen Autounfall gehabt. Der Gitarrist der Band fuhr ihn innerhalb von fünf Stunden direkt nach Hause, doch als sie ankamen, waren seine Eltern bereits gestorben.

Norman war inzwischen nahezu besessen von Musik und brauchte sie, um mit der Tragödie zurechtzukommen. Mit dem Geld, das ihm seine Eltern hinterlassen hatten, baute er sich ein Studio und brachte sich selbst bei, wie man Musik mischt und bearbeitet. Eine der aufstrebenden Bands, für die er Songs abmischte, AC Black aus Macon, Georgia, wurde von Motown Records unter Vertrag genommen. Als es Zeit für eine Tournee war, fragten sie ihn, ob er ihren Van fahren würde.

Er kümmerte sich um alles, vom Aufbau des Schlagzeugs und der Gitarren-Rigs bis zum Fahren des Vans und Abmischen der Show. Während die Band im Vorprogramm der Electro-Funk-Gruppe The S.O.S Band auftrat, bereitete sich ihre Tourmanagerin Karen Krattinger darauf vor, zu einem anderen Job zu wechseln. Sie hatte Norman bei der Arbeit beobachtet und fragte ihn, ob er sie gerne ersetzen würde. Er nahm das Angebot an und unterstützt seitdem Künstler*innen bei ihren Liveauftritten.

„Ich hatte die Begeisterung [für Auftritte] nach dem Tod meiner Eltern verloren“, sagte Norman. „Das war also das Nächstbeste, auf der anderen Seite zu stehen und immer noch etwas zu tun, womit ich die Fans glücklich mache. Sie wissen nur nicht, wer ich bin.“

Keine Chance für Monotonie

Nehmen wir zum Beispiel das Austin City Limits Festival, bei dem Tyler, the Creator zwei Tage nach unserem Gespräch mit Norman als Headliner auftrat. „An diesem Auftritt arbeite ich vermutlich schon vier Monate“, berichtete Norman aus seinem Hotelzimmer in Austin. Er musste einen Zeitplan aufstellen und die Festival-Leitung darüber informieren, wie viele Steigbühnen und Bühnenarbeiter*innen benötigt wurden. Er musste herausfinden, ob der Veranstalter Verpflegung für seine Crew bereitstellte. Er musste den*die örtliche*n Brandschutzbeauftragte*n über ihre Pyrotechnik informieren.

Und das ist nur ein Konzert (wenn auch ein aufwendiges) einer internationalen Tournee. Egal für wen er gerade arbeitet, er muss Probleme voraussehen und lösen, von denen der*die Künstler*in nie erfahren wird, und ihm*ihr jeden Wunsch erfüllen. Prince (einer seiner Favoriten) lehrte Norman eine wertvolle Lektion: Wenn ein*e Künstler*in eine Frage hat, muss der*die Tourmanager*in eine Antwort parat haben.

„Du bist Vermittler*in, Problemlöser*in, Psychiater*in und Therapeut*in, Arzt*Ärztin, einfach alles “, erklärt Norman.

Zeit für mehr Vielfalt

Als Person of Color ist Norman auf jeden Fall in der Minderheit in der Touringbranche. Schwarze Musiker*innen haben manchmal Schwarze Tourmanager*innen, laut Norman ist das aber eher die Ausnahme. Und bei weißen Country- oder Rockmusiker*innen? Kommt das noch seltener vor.

Norman hat in dieser Hinsicht Glück gehabt, dass er für seine gute Arbeit anerkannt wurde. Dennoch sagt er, dass jeder Fortschritt in seinen 35 Jahren in der Musikbranche unheimlich langsam war.

Wenn Norman für jemanden wie Tyler, the Creator eine Tournee leitet, kann er dank seines beeindruckenden Lebenslaufs jede beliebige Person einstellen, die er für seine Arbeit braucht. Sein Unternehmen Tour Forensics setzt sich dafür ein, dass Frauen, Angehörige von Minderheiten und Mitglieder der LGBTQ+ Community eingestellt werden, um die Livemusikbranche zu verbessern.

„Als Schwarzer Tourmanager bin ich mit Herausforderungen konfrontiert, denen weiße Männer sich nicht stellen müssen“, meint Norman. „Wir müssen uns zwei- bis dreimal mehr beweisen als weiße Männer“.

Aber, so Norman, die Gespaltenheit der vorherigen Regierung im Weißen Haus in Verbindung mit dem Aufrütteln der Bevölkerung nach der Ermordung von George Floyd durch die Polizei hat dazu geführt, dass die Menschen in der Touringbranche einen Moment innehalten und die Notwendigkeit erkennen, People of Color in diesen Positionen einzustellen. Seit er wieder auf Tour ist, sieht er immer mehr neue Gesichter, und die haben nicht alle dieselbe Hautfarbe.

Gibt es 2021 eine richtige Art zu touren?

Zwei Tage vor Normans Flug nach Südamerika zum Lollapalooza Anfang 2020 erhielt er die Nachricht, dass das Festival abgesagt wurde. Zu dem Zeitpunkt machte er sich keine großen Sorgen. Es gab ja jede Menge anderer Shows. Aber auch diese wurden nach und nach wegen Corona abgesagt. Die Livemusik – sein Lebensunterhalt – wurde ihm genommen und er wurde depressiv.

Es stellte sich heraus, dass der schnellste Weg aus diesem Loch darin bestand, an der Universität Vorträge zu halten und junge Leute im Musikgeschäft zu betreuen. Du kannst sie nicht auf die Unvorhersehbarkeit einer Tournee vorbereiten, aber du kannst ihnen vermitteln, dass das Wichtigste in diesem Job ist, zu reagieren.

Im Jahr 2021, so Norman, sollten alle Künstler*innen sich für eine Impfpflicht für die Crewmitglieder entscheiden. Er versteht, dass das keine einfache Entscheidung ist, aber er kennt sich gut mit den Feinheiten der Tourlogistik aus. „Wenn eine Person krank wird, dann ist nicht nur diese eine Person betroffen, sondern alle im Tourbus“, sagte er. Der*die Künstler*in mag sicher sein, aber wenn eine Person ein ganzes Soundteam gefährdet, sind die Kosten, das gesamte Team kurzfristig zu ersetzen, fast untragbar. Dieses Risiko sollte vermieden werden.

Diesem Vorschlag einer Impfpflicht liegt eine Einstellung zugrunde, die Norman in seinen 35 Jahren aufgeschnappt hat: hilfreich und rücksichtsvoll gegenüber allen Beteiligten zu sein. Der Soundcheck und die Planung vor Ort für die ACL-Show von Tyler, the Creator waren wichtig, aber genauso wichtig war es, sie effizient durchzuführen, da andere Künstler*innen dies ebenfalls noch tun mussten. Die Mitarbeiter*innen vor Ort brauchten Zeit zum Ausruhen. Tyler war zwar der Headliner, aber wenn man jemanden auf diesem Festival in eine schwierige Lage bringt, könnte das einen Dominoeffekt haben, der seinen Auftritt beeinflusst. Alle haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die anderen gut gelaunt und gesund sind.

„Tyler sollte in der Lage sein, beim Festival anzukommen, seine Show zu machen und wieder zu gehen. Das ist sein Job“, sagte Norman. „Unsere Aufgabe ist es, all dies möglich zu machen und sicherzustellen, dass das Publikum und Tyler eine tolle Zeit haben.“

Möchtest du noch mehr von David Norman erfahren? Hör dir seine Folge unseres Podcasts „Co.Lab Sessions“ unten an oder klicke hier, um weitere Folgen aus der Serie zu entdecken.

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